Ihr Lieben,
mit Verspätung folgt nun endlich der zweite Teil zur Arbeit im VCP-Bundesarchiv, in dem es um die eigentliche Arbeit im Archiv, also die Archivpraxis gehen soll.
Im Grunde sorgt ein Archiv dafür, dass Dinge möglichst lange im bestmöglichen Zustand überdauern und Interessierten zugänglich gemacht werden. Das klingt simpel und wenn die Rahmenbedingungen stimmen und sich eine Routine eingefunden hat, dann kann der Alltag in einem Archiv tatsächlich auch relativ stressfrei und smooth vonstatten gehen.
Die meisten Rahmenbedingungen für unser Archiv haben wir erst in den letzten fünf Jahren schaffen können: adäquate Räumlichkeiten zur Aufbewahrung der Archivalien (den Magazinraum im Kulturbunker) mit einem System aus archivgeeigneten Lagerregalen, Schachteln und Hüllen auf der einen sowie eine Systematik nebst Datenbank zur Verwaltung und Recherche auf der anderen Seite.
Hauptsächlich verwahrt das Archiv Papiermaterialien, also schriftliche Unterlagen aus der Arbeit von VCP und den Vorgängerverbänden sowie Drucksachen, Zeitschriften, etc. Unterlagen werden themenweise in Archivmappen abgelegt, nachdem Fremdkörper wie Büroklammern, Tackernadeln und Kunststoffhüllen entfernt wurden. Dann kommen sie zur praktikableren und staubsicheren Aufbewahrung in Archivschachteln. Bücher und Liederbücher werden einfach ins Regal gestellt, Fotoabzüge und -negative kommen in Pergaminhüllen, Abzeichen hauptsächlich in Kunststoffhüllen, gerahmte Dias in Pappschachteln und Kluften und andere Kleidungsstücke werden auf Kleiderbügel aufgehängt oder in großen Schachteln aufbewahrt. Je nach Größe werden Objekte ebenfalls in die gleichen Archivschachteln verbracht wie das Schriftgut – zerknülltes Seidenpapier schützt sie dann in der Schachtel. Um Falten und Knicke zu vermeiden werden Fahnen, große Tücher und Zeltplanen aufgerollt und in ein großes Regal abgelegt, Plakate und Poster werden flach liegend in entsprechend großen Archivmappen aufbewahrt.
Die allermeisten Unterlagen und Objekte können wir also in guter Verfassung für die Nachwelt erhalten. Aber es gibt natürlich Ausnahmen. So haben wir analoges Filmmaterial als Depositum im Deutschen Filminstitut in Wiesbaden eingelagert. Dort herrschen klimatische Bedingungen, die wir hier in Kassel nicht erreichen können.
Ihr seht vielleicht, dass also für fast jedes Teil eine andere, spezifische Aufbewahrung notwendig ist, wobei wir nicht alles perfekt lagern können, dazu haben wir nicht die Möglichkeiten. Aber im Rahmen des Leistbaren sind wir – auch im Vergleich zu „richtigen“ Archiven ziemlich gut aufgestellt. Sind die Materialien dann in den Schachteln, verschiebt sich der Fokus darauf, die Dinge auch zukünftig zu schützen. Das geschieht durch regelmäßige Sichtkontrollen, bei der der Zustand hauptsächlich besonders fragiler Archivalien überprüft und auch nach Schädlingen geschaut wird.
Schädlingsbefall ist nämlich ein großes Thema in Archiven und wegen der vielen unterschiedlichen Materialien, die wir hier im Archiv aufbewahren gibt es potentiell auch viele verschiedene Schädling, die sich bei uns wohlfühlen könnten. Deswegen untersuche ich eingetroffene Materialien sofort nach unerwünschten Gästen und/oder deren Spuren. Manchmal schaffe ich das nicht sofort und dann kommen die neuen Materialien erst einmal in eine 14tägige Quarantäne.
Bei Schädlingen gibt es harmlose, wie z. B. Fliegen oder Spinnen, die zwar ihre Eier an Archivalien ablegen, diese ansonsten aber nicht weiter direkt schädigen. Ein richtiger Schädling, den ihr vielleicht kennt, ist z. B. die Kleidermotte. Die knabbert gerne an organischen Stoffen und legt auch ihre Eier in den Stoffen ab, die dann als Futter ihrer Larven dienen. Relativ neu hier in Westeuropa ist das Papierfischchen, eine größere Verwandte der harmlosen Silberfischchen. Papierfischchen ernähren sich von Papier und sind nicht so einfach zu entdecken. Deswegen mache ich die Sichtkontrollen, aber wir stellen auch Fallen mit Lockstoffen auf, um einen Befall zu erkennen. Glücklicherweise ist in den vier Jahren, in denen unser Magazinraum im Kulturbunker ist, nur eine einzige Spinne in eine der Fallen getappt. Erhalten habe ich allerdings schon Materialien mit Knabber- und Kotspuren von Mäusen und sogar einmal eine Kiste mit Materialien von einem Dachboden, wo Wespen oder Bienen sich ein neues Zuhause eingerichtet hatten, zum Glück aber schon ausgezogen waren.
Womit das Archiv aber schon Probleme hatte, war ein Schimmelbefall von Materialien nach einem Wasserschaden. Das war vor meiner Zeit und aktuell gibt es kein Schimmelproblem, aber wir müssen das immer im Blick haben und regulieren auch deswegen die Luftfeuchtigkeit im Magazinraum. Ein Schimmelbefall ist nicht lustig, weil die Sporen gefährlich für die Atemwege sind.
Für heute soll das genügen, dann gibt es auch noch einen dritten Teil, zu dem ich hoffentlich etwas früher kommen werde.
Bernd Eichhorn